Stephan Voeth 20. Mai 2013 - 2:32
Aufgrund meiner mittlerweile recht umfangreichen Anti-Werbe-Kampagne werde ich immer wieder gefragt, was ich denn eigentlich gegen Werbung hätte - diese tue schließlich niemandem weh und sie kann ja auch einfach ignoriert werden. Eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage. Ich halte mich dann auch immer davon ab, eine allzu patzige Antwort wie „Leider noch nichts Wirksames“ von mir zu geben und entscheide mich zumeist doch dazu, über die tatsächlichen Hintergründe meiner Einstellung zu informieren. Um dieser Frage nun auf den Grund zu gehen, müssen wir erstmal folgendes klären:
Was ist Werbung überhaupt?
Werbung kann die verschiedensten Formen annehmen. Wir treffen sie im Fernsehen als Spot oder als Einblendung, als Plakat oder als Werbetafel in Stadt oder Universität, als Pop-Up, Spam, Banner usw. bei der täglichen Internetnutzung und auch als Flyer oder harmlos wirkendes Anschreiben im Briefkasten. Und es gibt noch unglaublich viele weitere Formen der Werbung.
Wozu ist diese Werbung nun da?
Wikipedia hilft weiter:
Werbung ist „Verkaufsförderung oder Imagepflege von meist gewinnorientierten Unternehmen bzw. deren Produkten und Dienstleistungen“. „Sie dient sowohl der gezielten und bewussten als auch der indirekten und unbewussten Beeinflussung des Menschen zu meist kommerziellen Zwecken.“ Werbung dient also meist weniger der Information, als vielmehr der Manipulation. Natürlich ist nicht jede Werbung per se schlecht. Auch unkommerzielle Institutionen werben für ihre Zwecke und verbreiten sinnvolle Informationen, unter anderem auch an der Universität. Hochschulgruppen und die Studierendenschaft, aber auch die Universität selbst bewerben Veranstaltungen und Angebote und werden dabei immer häufiger von kommerziellen Angeboten überklebt/verdeckt oder anderweitig aus dem Sichtfeld verdrängt.
Die Reaktion der Universitäten
Es wäre nun zu erwarten, dass sich die Universitäten dieser Entwicklung entschieden entgegenstellen - leider ist jedoch das Gegenteil der Fall. Bildungskürzungen lassen Präsidium und Co. neue Einnahmequellen erschließen und so bewerben Universitäten mittlerweile schon die eigenen Marketingmöglichkeiten. So komisch Werbung für Werbung auch klingen mag, umso weniger lustig hört es sich im Klartext an: Die Universität Düsseldorf wirbt auf ihrer Webseite: „Sie wollen die rund 20.000 Studierenden oder die Mitarbeiter der Universität als Zielgruppe für Ihre Produkte oder Ihr Unternehmen ansprechen?“ und die Universität Hamburg führt die Möglichkeiten weiter aus. Zum Angebot gehört „alters- und bildungsstandgenaue Werbung“[1], bei der das Marktpotenzial der Studierenden nicht nur als „Konsumenten, sondern auch Multiplikatoren“ vorhanden ist. Denn Studierende setzen Trends und sind Meinungsführer, meint zumindest die Uni Hamburg. Ziel der Uni für ihre Werbepartner_innen ist es, „die jungen Erfolgreichen schon heute als [deren] Kunden!“ zu gewinnen. Das Wohl der größten Gruppe an der Universität rückt dabei in den Hintergrund, weil Universitäten unterfinanziert und zu (Ausbildungs-)Betrieben statt Bildungseinrichtungen degradiert werden, bei der Studierende Kund_innen sind und das gleich in zweifacher Hinsicht.
Verstöße gegen Werbevorschriften
Trotz Angeboten der Universitäten halten sich viele Unternehmen nicht an die ohnehin sehr laschen Vorschriften. Firmen wie MLP oder O² tauchen aufgrund ihrer Werbepraktiken immer wieder negativ in den Medien auf. So berichtet die Süddeutsche Zeitung von blauen Monstern, die ohne Genehmigung in Vorlesungen hereinplatzen, um Werbung zu machen. Die Hochschulen greifen kaum ein. So leider auch an der TU Darmstadt. Erst nach zahlreichen Beschwerden und mehreren Verstößen wurde dem Unternehmen MLP im vergangenen Dezember ein Werbeverbot erteilt. Nur ein kleiner Erfolg, denn die immer wieder währenden illegalen Flyer und Promotionsaktionen anderer Unternehmen an der Universität werden geduldet. Begründung ist, dass die große Menge an Flyern mit dem jetzigen Personal nicht kontrollierbar sei. Angebote der Studierendenschaft, die offenen Werbeflächen für Studierende und studentische Gruppen selbst zu verwalten, wurden jedoch abgelehnt. So ist es kein Wunder, wenn sich Studierende, wie im Artikel der FAZ, „verkauft“ fühlen. Lediglich das Studierendenwerk nimmt inzwischen, nach mehrfachen Hinweisen, seine Verantwortung ernst und geht streng gegen Werbeverstöße vor.
Die Werbeflut im Alltag
Doch als Studierende sind wir mittlerweile nicht nur in der Universität mit Werbung konfrontiert, insbesondere durch persönliche Briefwerbung oder Flyer im Briefkasten werden wir von Werbung überflutet. Vom täglichen Leeren des Spamordners und Zwangspausen bei Fernsehen mal ganz abgesehen. In der Universität begegnet uns diese Werbung zumeist in Papierform und landet relativ schnell im nächsten Mülleimer.
Umweltverschmutzung durch Werbung
Papier besteht zumeist aus Faserstoffen, Leimung, Imprägnierung und Füllstoffen. Bei der Herstellung werden große Mengen an Wasser und Strom, aber auch Farbstoffe und weitere Hilfsmittel benötigt. Rund 20% der weltweiten Holzproduktion werden für Papier verwendet. Für die Herstellung von 1 kg Papier werden 7 Liter Wasser und 2,5 kWh Strom benötigt. 1 kg, das sind etwa 250 Flyer in DIN A5 Größe auf 130g/qm Papier, ein Bruchteil der jährlich an der Universität verteilten Flyer. Nach Berechnungen von kaufda.de entfallen allein in Form von Werbewurfsendungen auf jeden Haushalt in Deutschland jährlich etwa 33 kg Papier. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gibt es zur Zeit etwa 40 Millionen Haushalte in Deutschland. Anhand dieser Zahlen lässt sich leicht die ungeheure Verschwendung durch zumeist unerwünschte Werbung mit Flyern, Katalogen und Prospekten ausmachen.
Ressourcenverschwendung im Internet
Aber auch Onlinewerbung und Spam verbrauchen ungeahnte Ressourcen. So wurden durch die im Jahr 2008 versendeten Werbemails 33 Milliarden Kilowattstunden Energie und die entspreche Menge CO² verschwendet. Dies berichtet netzwelt.de mit Bezug auf eine Studie des ICF International. So beantwortet sich auch die Frage, die zu Anfang gestellt wurde, recht einfach. Denn die geringen Einnahmen, die die Universität mit der Werbung macht, sind lächerlich und ein Mehrwert für mich als Studierenden ergibt sich dadurch auch nicht.
Was ich nun gegen Werbung habe?
Im universitären Alltag hilft meist ein klares „Nein“ gegenüber Promoter_innen und das Nicht-Herausgeben meiner Adresse für ein Überraschungsei. Zuhause ist ein Aufkleber auf dem Briefkasten sinnvoll, der mich vor erstaunlich viel Werbung bewahrt. Zudem bestelle ich grundsätzlich jede uninteressante an mich adressierter Werbung ab. Und auch wenn ich so nicht ganz werbefrei leben kann, so ist es doch ein deutlich reduziertes Maß mit einem wesentlich besseren Gewissen.
Du hast auch keine Lust mehr auf Werbung?! Informier dich auf www.asta.tu-darmstadt.de/werbung über die Möglichkeiten und hol dir im AStA-Büro deinen Anti-Werbeaufkleber für den Briefkasten ab!
Der Autor, Stephan Voeth, kämpft bereits seit einiger Zeit für selbstverwaltete Werbeflächen für Fachschaften und Hochschulgruppen. Ziel ist es, die kommerzielle Werbung auf ein Mindestmaß zu reduzieren und insbesondere illegale Werbemaßnahmen zu verhindern. Die Informationen und kulturellen Angebote der studentischen Gruppen sollen wieder im Vordergrund stehen und Wohnungs-, Job- und ähnliche Anzeigen sollen wieder ihre eigenen Bereiche erhalten. Dabei würde dann auch unnötiger Müll vermieden werden.
Mittlerweile hat die Uni Hamburg den Text angepasst. Nun heißt es dort: "An der Universität Hamburg sind rund 40.000 Studierende eingeschrieben. Sie haben die Möglichkeit, diese klar definierte Zielgruppe anzusprechen – etwa mit Employer-Branding, Personal- oder Produkt-Marketingmaßnahmen. Bitte beachten Sie, dass Werbung an der Universität Hamburg nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Wir verfolgen das Ziel, den Studierenden der Universität eine ausgewogene Mischung aus Information und Service zu bieten. Sprechen Sie uns an, wir informieren Sie gerne persönlich über die Details."