Philip Krämer 9. Juni 2015 - 14:28
»Schulden. Eine Befreiung!«
Dionysien
Im Herzen von Darmstadt –was öffentliche Verschuldung betrifft das Griechenland unter Deutschlands Kommunen – errichtet Regisseur Michael v. zur Mühlen einen Tempel, eine archaisch-utopische Kultstätte, um der Kunst, dem Kritischen Denken und dem Rausch zu huldigen. „Würde und Schönheit statt Demut und Blödheit!“ lautet die Losung dieser rituellen Reinigung für alle Neugierigen und Ängstlichen, (Un-) Zufriedenen und Sparsamen, die ausgehend von David Graebers Buch »Schulden« nach mehr fragt als nach überzogenen Dispokrediten: nach dem Kapitalismus als Ganzem, und vor allem danach, was eigentlich falsch läuft (mit uns), dass wir uns ihm so schuldbewusst und verkniffen unterwerfen. Denn wenn wir nicht aufhören, uns vor unseren Gläubigern zu rechtfertigen, haben wir überhaupt verloren. Die Zeit ist reif, wir müssen uns wieder viel mehr leisten!
Angelehnt an die städtischen Dionysien im Antiken Griechenland, in denen Fest, Ritual, Theater und Volksversammlung zusammenflossen, gibt sich ein Ensemble aus SpielerInnen des Staatstheaters Darmstadt und Gästen lustvoll verschwenderisch der großen Form hin: ein Kunst-Marathon in zwölf eigenständigen Teilen an neun Tagen – jeden Tag einmalig, jeden Tag neu – verbunden durch das Prinzip der Reihe und der Suche nach einer universellen Ökonomie jenseits der Schuld und nach möglichen Zukünften. Eine Sonne, die im Entstehen verglüht.
Für Studierende gilt der reduzierte Preis von 5€. Alle anderen Interessierten können auch unter
um Freikarten bitten, sollten Sie den Eintritt nicht bezahlen können.
Weitere Infos:
Datterich-Festival
Auf den ersten Blick kommt der Datterich als lokal-spezifische Ikone daher. Erst beim zweiten Hinschauen zeigt sich, wie zeitgemäß, vieldeutig und inspirierend dieser
Theaterklassiker noch immer ist. Es lohnt sich, mehr als die traditionelle Biedermeier-Perspektive auf Niebergalls Text zu werfen. Die selbstironische Offenheit seines Stücks bietet eine ganze Brandbreite an kreativen Umsetzungsmöglichkeiten: Wie wäre es also, den Datterich neu zu entdecken und zu verjüngen? Im Mittelpunkt des ersten Datterich Festivals steht natürlich das Theater. Mit zwei Erst-Inszenierungen und einem partizipatorischen Projekt eröffnen wir überraschende Perspektiven auf das Niebergall-Stück. Neben einer Neuinszenierung der Hessischen Spielgemeinschaft zeigt das Festival eine zeitgenössische Assoziation zu dem Stück, einen dezidierten Außen-Blick auf den Datterich: »Schulden. Eine Befreiung!«, Regie: Michael v. zur Mühlen. Der dritte Theaterabend gehört den Darmstädtern und bildet den Höhepunkt des Festivals: die »Lange Nacht des Datterich«. In einem Parcours bewegen sich die Zuschauer durch alle möglichen und unmöglichen Orte der Stadt. Alle DarmstädterInnen wurden dazu aufgerufen, sich mit einer eigenen Idee an einem Ort ihrer Wahl zu beteiligen, rund 60 Programmpunkte sind zusammengekommen: die Memoiren des Schusters und Schlägers Bengler auf einer Bank im Botanischen Garten, die Welt der Dummbachs als Grillparty im privaten Garten oder der »Datterich« auf Englisch in einer eigens reanimierten »Datterich«-Klause – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt... Doch damit nicht genug. Mit einer Reihe weiterer Veranstaltungen öffnet das Festival den Blick auf den Datterich auch über den Theater-Horizont hinaus. Ausstellungen, Konzerte und urbane Interventionen beleben die Welt Niebergalls: seine Biografie, seine Texte und deren vielfältige Verweise. So setzt das Festival thematische Schwerpunkte, die verdeutlichen, wie aktuell der Datterich noch heute ist: etwa in Bezug auf Themenkomplexe wie Alkoholismus oder Armut; zum Verhältnis zwischen Erwerbstätigkeit und Müßiggang oder zwischen Schulden und dem Umgang mit Geld. Das Datterich Festival ist ein Projekt der Datterologischen Gesellschaft in Kooperation mit dem Staatstheater Darmstadt, der Hessischen Spielgemeinschaft 1925 e. V., der Centralstation und der Freien Szene Darmstadt e. V.