Christoph Miemietz 6. November 2013 - 16:43
Mit Verzögerung beginnt am kommenden Montag ein weiteres Autonomes Tutorium. Ein Einstieg in die anderen Autonomen Tutorien ist weiterhin möglich. Eine Übersicht findet sich hier.
Der Begriff des Fortschritts sei, Walter Benjamin folgend, in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Indem sich partikularer Fortschritt ereignet, innerhalb des Ganzen alles fortschreitet, nur das Ganze selbst nicht, was daher in seiner permanenten Bewegung nichts als Stillstand bedeutet, nichts als die permanente Wiederkehr des Naturzwangs, weil es nichts außer sich kennt und duldet, indem sich also dieser permanente Fortschritt des Immergleichen im neuen Gewand ereignet, ist dieses Leben als die Hölle auf Erden zu charakterisieren. Fortschritt, an dessen Begriff Adorno anders als Benjamin doch festhalten möchte, würde im Sinne der die Katastrophe abwendenden Menschheit dagegen heißen: „aus dem Bann heraustreten, auch aus dem des Fortschritts, der selbst Natur ist, indem die Menschheit ihrer eigenen Naturwüchsigkeit inne wird und der Herrschaft Einhalt gebietet, die sie über die Natur ausübt und durch welche die der Natur sich fortsetzt. Insofern ließe sich sagen, der Fortschritt ereigne sich dort, wo er endet.“ Dieser Begriff des Fortschritts impliziert auch die Idee der Erlösung aus der Geschichte und integriert Elemente des jüdischen Messianismus in eine materialistische Gesellschaftskritik.
Die Dialektik des Fortschritts nimmt nicht zufällig innerhalb von Adornos Vorlesung Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit eine exponierte Stellung ein. In ihrem Zentrum steht nicht etwa der Versuch eine allgemeine Einleitung in die Geschichtsphilosophie zu geben, sondern diese unter dem spezifischen Gesichtspunkt des Verhältnisses von Individuum und Freiheit zu reflektieren. Die Vorlesung behandelt dementsprechend zwei Komplexe als Proben dialektischer Philosophie: das Verhältnis von Weltgeist und Naturgeschichte und das Problem der Freiheit. Es geht also um nicht weniger als um die Problematisierung des Verhältnisses von Allgemeinem, als der objektiven geschichtlichen Tendenz, und Besonderem. Beides in einer bewussten Vermittlung zu versöhnen ist nicht nur ein Problem der Philosophie, sondern eines an dem die Einrichtung der Menschheit bis heute scheitert.
Literatur:
Grundlagen:
Benjamin, Walter: Über den Begriff der Geschichte
Adorno, Theodor: Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit
Optional:
Adorno, Theodor: Negative Dialektik
Horkheimer, Max/Adorno, Theodor: Dialektik der Aufklärung
Scholem, Gershom: Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum
Améry, Jean: Jenseits von Schuld und Sühne
Montags, 14:25 - 16 Uhr
Beginn: 11. November
Kontakt: Nico ( nico.bobka@web.de )
Ort: S1/03/161
Weitere Autonome Tutorien im Wintersemester
Die Liebe zur Macht? Feminismus nach Jessica Benjamin
Schmutzige Körper. Erkenntnistheorie, Leiblichkeit und Materialismus
Kritische Theorie der Nation
Was ist Marxismus, was ist "die Linke"?
Warum leben Menschen als Single?
Wireless Electricity: Imagine a world without wires!
100 % erneuerbare Energien: technisch, politisch und gesellschaftlich möglich?
Vom Genie zum genialen Rennpferd: das Genie in der deutschen Literatur
Alles nur Schein? Die Gesellschaft des Spektakels (Guy Debord)
Technologien des Selbst: Zur Konstitution moderner Subjektivität
Cyberpunk - Futurologische Fehlschlüsse oder Literatur mit Weitblick?
Playful German learning and conversation (Tutor International)
Allgemeine Informationen zu den Autonomen Tutorien finden sich hier.