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Ringvorlesung: Totalschaden - Die politische Ökonomie des KFZs

Vortrag mit Klaus Gietinger Mi. 09.01.2012; 18.30 Uhr; 603qm

<strong> Totalschaden – Zur politischen Ökonomie des Kfzs</strong>
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„Das Auto überfährt lakonisch die Fußgänger. Es frisst sich hinein in die Wand eines Schuppens, oder es rast schmunzelnd einen Abhang hinunter. Es ist an nichts schuld. ( … ) Es erfüllt nur seine Bestimmung: Es ist berufen, die Menschen auszurotten.“
Ilja Ehrenburg, Das Leben der Autos, 1929
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Die Transportwirtschaft und hier der Motorisierte Individualverkehr (MIV) zählt nach wie vor zu den größten und mächtigsten Ökonomien der Erde. Die BRD ist die drittgrößte Weltmacht des Kraftfahrzeugs (Kfz).
Die politische Ökonomie des Kfz wird von zwei entscheidenden Faktoren geprägt.
Einerseits lässt sich im Kapitalismus u a. nur akkumulieren indem die Warenströme beschleunigt und die Waren immer weiter um die Erde geschossen werden. Die Jagd nach Profit und Tauschwerten bedingt ein immer höheres Tempo und immer größere Weiten. So steigt die Transportweite von Gütern permanent. Ebenso zu nehmen die von Pkws zurückgelegten Kilometer, die PS-Zahlen, das Gewicht der Kfz und das Tempo auf den Autobahnen (hier insbesondere in Deutschland).
Andrerseits ist der Mensch anfällig für Geschwindigkeit und Beschleunigung und lässt sich von diesem Rausch anstecken. Es entwickelt sich ein Tempovirus. Schnelle Bewegung wird zur Sucht.
Wir haben es also einerseits mit einem mächtigen Drogenkartell aus Kfz-Industrie, Verkehrsverbänden, Regierungen, Verkehrsplanern, Provinzpolitikern, Autoparteien (alle Parteien sind Autoparteien), Medien und Pseudokritikern zu tun, andererseits mit massenhaft Infizierten, Süchtigen, Junkies, den gewöhnlich Motorisierten.
Während sich das Auto anschickt die größte Massenvernichtungswaffe aller Zeiten zu werden, während jährlich mehr als 3 Millionen Menschen an den Folgen des Kfz-Verkehrs sterben, spricht die Politik von Energiewende, Elektromobilität und automatischen Fahrhilfen, Verkehrsleitsystemen, Verkehrserziehung und spritsparenden Fahrzeugen. Wobei das Gegenteil geschieht. Aufgebaut ist dies alles auf Unrechtsordnungen, wie der aus dem Faschismus stammenden StVO, die das Gewaltmonopol an den Kfz-Lenker (Eingebaute Vorfahrt, § 25 StVO) oder die Lenkerin abtritt und das Töten auf der Straße zum fahrlässigen Delikt, das meist nur Geldstrafen nach sich zieht, herunterstuft.
Die Massen-Motorisierung der Erde lässt sich in drei Phasen einteilen und hat längst die Schwellenländer der so genannten Dritten Welt erreicht. Sie bedingt hier unfassbare Leichen- und Krüppelberge die sich in den nächsten Jahren noch verdoppeln werden. Bis 2030 werden weit über 200 Millionen Menschen dem Totschlag durch Kfz zum Opfer gefallen sein.
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Das Kfz ist die Speerspitze der Ausbeutung der Erde. Seine Bekämpfung kommt faktisch in keinem Klimaschutzprogramm vor. Tatsächliche Autokritiker werden als weltfremde Idioten dargestellt. Dabei wäre die Verteufelung des Kfz die erste Bürgerpflicht, kann sie aber nicht sein, da die meisten Menschen autosüchtig sind und sich im Hamsterrad des vom Drogenkartell und den Drogenbaronen des Transportwesens geschaffenen Welt bewegen.
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Utopien sind angebracht und müssen in ihrer Radikalität das Auto als Massenverkehrsmittel überflüssig machen. Dies erfordert mehr Demokratie und mehr Entschleunigung denn je. Die Zeit ist knapp.
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Klaus Gietinger

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