Israel und die Gegenwart des Antisemitismus (Ringvorlesung SoSe18)
Anlässlich des 70. Jahrestages der Staatsgründung Israels möchten wir uns in einer kurzen Veranstaltungsreihe mit Genese und Gegenwart des Antisemitismus auseinandersetzen. Geplant sind hierfür vier Vorträge, die sich den Zusammenhängen zwischen Antisemitismus, gegenwärtiger Gesellschaftsform und dem jüdischen Staatsprojekt widmen, sowie im Anschluss ein vertiefendes Tagesseminar.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass Antisemitismus in Deutschland kein mit der „Stunde Null" und Reeducation abgelegtes Relikt der Vergangenheit ist, soll in den Vorträgen dargelegt werden, inwiefern Antisemitismus nicht nur Ressentiment, sondern kontinuierliches, wie auch konstitutives, global wirksames Moment gegenwärtiger Vergesellschaftung ist, und damit eben auch allgegenwärtig – er findet sich unabhängig davon, ob sich Menschen politisch links, rechts oder auch in der sogenannten bürgerlichen Mitte verorten, ebenso auch in Gesellschaften, die gemeinhin dem Westen zugerechnet werden, der arabischen Welt oder Südamerika: „Antisemitismus war immer und ist es noch eine Abwehr der Moderne, der Offenheit, des Kosmopolitischen oder wie man heute sagen würde der Globalisierung von Ideen".
Sind die auftretenden Semantiken und Bezugspunkte auch verschieden, in den Objekten und Kritik und der herangezogenen Bildsprache findet man doch meist schnell wieder zusammen: Israel, das Finanzkapital und die Wallstreet gelten oftgleichermaßen als neue Vertreter des gleichen Prinzips, einer zersetzenden und geheimnisvollen Macht die gerne im Hintergrund bleibt und doch überall wirkt, Regierungen in der Hand hat, Kriege anzettelt und Menschen ausbeutet; kurz: für alle Schlechtigkeiten dieser Welt verantwortlich gemacht werden kann. Besonders deutlich wird das immer wieder in der Berichterstattung, die mit besonderer Zielsicherheit immer dann ihre staatskritische und menschenfreundliche Seite entdeckt, wenn es um den sogenannten Nahostkonflikt geht.
Das verweist auch auf einen Zusammenhang von Gesellschaftsform und antisemitischer Gesinnung, dem in zwei Vorträgen von Stefan Grigat und Leo Elser nachgegangen werden soll. Auf dem Boden von Kritischer Theorie und Psychoanalyse werden hier die Zusammenhänge von Kapitalverwertung und antisemitischem Wahn beleuchtet, damit einhergehend auch insbesondere auf die Frage eingegangen, wie die Affekte des Individuums für das eleminatorische Projekt der Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen dienstbar gemacht werden konnte, um letztlich die Notwendigkeit des zionistischen Projekts der Selbstverteidigung all der vom Antisemitismus Betroffenen herauszustellen. Weiterhin soll ein Vortrag von Alex Feuerherdt die historische Konstellation zwischen Nationalsozialismus und arabischen Antisemitismus darlegen, um auch weitere Entwicklungen rund um die jüdische Staatsgründung weiter zu beleuchten. Abschließend geht Karin Stögner auf die Überschneidungen von Antisemitismus und Sexismus ein - auch in Hinblick auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Intersektionalität . Für das Seminar ist es vorgesehen, einen Workshop der Reihe „Bildungsbaustein Israel" in Darmstadt durchzuführen.