Indifferent bis antiemanzipatorisch: Zum Umgang mit Phänomenen neo-/islamistischer Idenitätspolitik | Melanie Götz
Dass der globalisierte Islamismus mit seinen Unterströmungen hierzulande wie in westlichen
Gesellschaften insgesamt wenig aufklärerischen Einspruch und emanzipatorischen Widerstand
erfährt, kann zu den paradoxerweise gleichermaßen hervorstechenden wie verdrängten
Krisenerscheinungen der kapitalistischen Postmoderne gezählt werden.
Während die islamische Reaktion noch auf der hierzulande zum sinnentleerten Diskursbaustein
reduzierten Dauerrede von einer „bunten und offenen“ Gesellschaft der „Vielfalt“ einigermaßen
erfolgreich mitschwimmt, läuft ein voluntaristisch geprägter Ausweichdiskurs zugleich gegen die
rechte Reaktion ins Leere. Das etwa nach islamistischen Manifestationen von Herrschaft durch Terror
schon automatisiert folgende ‚Argument‘, das sich bei der Benennung der ideologischen
Tathintergründe ausschweigt um nicht „den Rechten in die Hände zu spielen“, bewirkt doch nicht
weniger als genau dies. Die Leerstelle, die das weitgehende Fehlen einer emanzipatorischen Islam-
und Islamismus-Kritik im gesellschaftlichen Diskurs hinterlässt, wird im (Wieder-)Aufstieg der
Rechtsreaktionären mit ihrer durchschaubaren „Islamkritik“ nur allzu gern bedient.
Vor dieser gesellschaftlichen Ausgangslage und ihrer Dynamik versucht der Vortrag exemplarisch an
den hierzulande mehr als ein Jahrzehnt andauernden Kopftuch-Hijab-Burka-Burkini-Debattenwellen
jene manifeste Dauermode um die eigene Verdrängungsleistung zum Komplex Neo-/Islamismus und
Islam kritisch einzuordnen, die sich milieuspezifisch hyperfortschrittlich geriert, indem sie den
realexistierenden Islamismus relativiert, leugnet und verdrängt – während sie im Rekurs auf Kultur
und Identität unter dem Primat des Dekonstruktivismus bisweilen ein antiaufklärerisches Potential
entfaltet, das einer an Emanzipation interessierten, universalistischen Gesellschaftskritik tätig
entgegenwirkt.