Warum sich gesellschaftliche Verhältnisse nicht dekonstruieren lassen: Eine an Marx und Foucault orientierte Kritik an queer | Tove Soiland
Geschlechterverhältnisse lassen sich ebenso wenig dekonstruieren wie Produktionsverhältnisse. Mit dieser These tritt der Vortrag einer allzu einfachen Vorstellung von der politischen Veränderbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse entgegen, wie sie sich im Umfeld der US-amerikanischen Cultural Studies entwickelt hat, in deren Tradition auch die Queer-Theorie steht. In einem lediglich vermeintlichen Rekurs auf den französischen Poststrukturalismus erscheinen gesellschaftliche Verhältnisse hier als primär durch Bedeutung konstituiert und darum auch auf der Ebene der Bedeutung verschiebbar. Produktionsverhältnisse und die dazugehörigen Subjektivierungsweisen, so wird der Vortrag argumentieren, lassen sich aber als Bedeutungsfestschreibungen nicht nur nicht beschreiben. Im Rahmen dieser kulturalistischen Umdeutung des historischen Materialismus kann auch nicht mehr verstanden werden, dass das –aus dieser Perspektive subversiv erscheinende –Instabilwerden von Identitäten zu den veränderten Produktionsbedingungen des spätkapitalistischen Akkumulationsregimes gehört.
Tove Soiland, studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Zürich. Sie ist Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten und bietet bei der Gewerkschaft VPOD in Zürich regelmäßig Seminare für Frauen zu feministischer Ökonomie und politischer Theorie an. 2008 promovierte sie an der Universität Zürich zu »Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz. Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den Historisten«.