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Autonome Tutorien im Sommersemester 2017

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Zum Sommersemester gab es 39 von Kommiliton_innen zur Bewerbung eingereichte Konzepte, von denen wir 14 ausgewählt haben, die ab dem 2. Mai wöchentlich angeboten werden. Thematisch reichen sie von Brechts Theaterstücken, Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus bis zu funktionaler Programmierung und wagen einen Blick auf die politisch verschärfte Situation anhand der Auseinandersetzungen um Kosmopolitismus und Universalismus. Sie beschäftigen sich mit Moishe Postones Marx Lektüre, mit Transhumanismus und Smartphones. Sie spüren den Herumtreibern in der Literatur nach, fragen nach der Macht der Metaphern, wagen sich an eine Lektüre von Deleuze & Guattari's Tausend Plateaus, untersuchen die narrativen Strukturen des politischen Islam, werden die wieder virulent gewordene reaktionäre Querfront-Strategie aufarbeiten und betonen: „Es kömmt darauf an, die Welt zu verändern“. Wir hoffen das Programm stößt auf euer Interesse und führt zu reger Teilnahme und aufschlussreichen Diskussionen.

In Zusammenarbeit mit der Fachschaft Informatik konnten wir diesmal ein Tutorium mit QSL-Mitteln des Fachbereichs 20 fördern lassen, das dafür auch explizit aus der Informatik kommt.

Auf dem Poster ist auch der Feministische Lesekreis des AStA angekündigt, der ab dem 3. Mai alle zwei Wochen im Raum S1|03/56 stattfindet. Momentan lesen die bisherigen Teilnehmer_innen den Text "Postmoderner Identitätszwang. Oder: Eine materialistische Kritik Judith Butlers, in der sie gegen ihre Liebhaberinnen verteidigt wird" von Andrea Trumann aus der aktuellen Ausgabe der diskus. Bei Interesse schreibt einfach an .

Solltet ihr allgemeine Fragen zum Projekt haben, schreibt uns gerne an , bei Fragen zu Tutorien, schreibt den jeweiligen Tutor_innen einfach direkt.
Gelegentlich wechselt der Raum oder Termin nach ein paar Wochen. Wenn ihr also erst später dazu stoßt, fragt am besten vorher per Mail nach.

Die Tutorien:

Einführung in funktionale Programmierung am Beispiel von Haskell

In letzter Zeit ist Funktionale Programmierung unter Informatikern in aller Munde. Viele Konzepte aus der Funktionalen Programmierung, wie Lambdafunktionen und Funktionen höherer Ordnung, finden schon Integration in Objektorientierte Sprachen. Funktionale Programmiersprachen wie Haskell versprechen die leichte Kontrolle von Nebeneffekten oder gar nebeneffektfreie Programmierung, erleichterte Parallelisierung, transparenteren Kontrollfluss und bessere Abstraktion. Allerdings haben Funktionale Sprachen den Ruf, sehr schwer erlernbar zu sein. Wie verwendet man so hochtrabende Abstraktionen wie Monaden überhaupt und warum sollte man sich seine Eigenen Kontrollstrukturen bauen? Allerdings: Nach dem anfangs schweren Einstieg ist Haskell eine herausragende Programmiersprache, die andere Sichtweisen und Ansätze ermöglicht. Und diese Sichtweise überträgt sich oft auch vorteilhaft auf andere Programmiersprachen. Wir wollen in diesem Tutorium herausfinden, wie man die Eigenheiten von Haskell, wie faule Auswertung, nicht-modifizierbare Variablen und strikte implizite Typisierung, nutzt, um schnell performante, sichere und übersichtliche Programme zu schreiben. Wir werden auch einen Blick darauf werfen, wie sich diese Vorteile in andere Programmiersprachen übertragen lassen und uns mit Vor- und Nachteilen von funktionaler und objektorientierter Programmierung befassen.

Montags 16:15–17:45
Erstes Treffen: 8. Mai
Kontakt: Viktor ( )
Ort: S1|15/021

Was lehrt Die Maßnahme? Theorie und Praxis von Brechts Lehrstücken

„Aber nicht andere nur, auch uns töten wir, wenn es nottut. Da doch nur mit Gewalt diese tötende Welt zu verändern ist, wie Jeder Lebende weiß.“

„Wer a sagt, der muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, daß a falsch war.“

Bertolt Brechts Lehrstücke sind eine Provokation – für das herkömmliche Verständnis künstlerischer Freiheit, weil mit dem Konzept des Lehrstücks, die künstlerische Praxis einem politischen Zweck unterstellt und mittels Kunst eine politisch verbindliche Position entwickelt werden soll; für das herkömmliche Verständnis künstlerischer Praxis, weil das Lehrstück Produktion und Rezeption in eins fallen lässt und so die Grenze zwischen dem schöpferischen Künstler-Individuum und dem passiven und wiederum individualisierten Kollektiv der Kunst-Betrachtenden durchbricht, künstlerische Praxis kollektiviert; schließlich für das herkömmliche Verständnis politischen Engagements, weil die Handlungen der Lehrstücke (auf den ersten Blick) für einen radikalen Kollektivismus plädieren. So landet in Brechts berüchtigstem Lehrstück, der Maßnahme, der Protagonist, ein junger Genosse, am Ende in der Kalkgrube – ermordet im Namen der Revolution und zwar unter Zustimmung aller im Stück zu Wort kommender Stimmen, einschließlich seiner eigenen. Kein Wunder, dass die Lehrstücke ein Teil des Brechtschen Werks sind, mit dem sich der heutige literaturwissenschaftliche Mainstream schwer tut. Die Lehrstücke werden oft – wie die Parteinahme Brechts für den Kommunimus insgesamt – abgetan, als bloße Verirrung des ansonsten unbestritten genialen Künstlers. Dagegen wollen wir im Tutorium versuchen, den Zusammenhang, der durch die Lehrstücke zwischen Kunst und Politik gestaltet wird, ernst zu nehmen. Im Tutorium soll es dabei sowohl um eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept des Lehrstücks, einschließlich seiner Rezeptionsgeschichte, gehen, als auch um ein praktisches Experimentieren mit den Lehrstücken. Ziel ist dabei eine differenzierte und historisch-reflektierte Interpretation der Lehrstücke. Die Frage danach, was die Lehre der Lehrstücke von Brecht ist, wird uns dabei ebenso auf Fragen der künstlerischen Form, wie auf Fragen der politischen Organisation radikaler Gesellschaftsveränderung stoßen.

Montags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 8. Mai
Kontakt: Johannes L. ( )
Ort: S1|03/110

Was ist die Querfront? Geschichte und Kritik reaktionärer Strategie

What's left? What's right? Gegenwärtig werden wir ZeugInnen einer Auflösungstendenz althergebrachter politischer Strukturen und Werte. Die Milieubindung der WählerInnen schwindet stetig und vor dem Hintergrund von kontinuierlichen politischen und ökonomischen Krisen, die keine zufriedenstellenden Lösungen zu erhalten scheinen steigt (wieder einmal) die Frustration und die Sehnsucht nach neuen und einfachen Antworten unter vielen Menschen. Diese Konstellation wurde als „postpolitisch“ oder „postfaktisch“ interpretiert und ist Ausdruck des Misstrauens gegenüber etablierten Parteien und Institutionen. Im Spannungsfeld von bestehenden Legitimationsdefiziten tun sich dabei besorgniserregende Entwicklungen auf: Mit der sogenannten „Querfrontstrategie“ versuchen einige Linke und Rechte gemeinsame Kräfte gegen die „bestehenden Verhältnisse“ zu bündeln. Während es bei der Wahl von Mitteln und Wegen der Gesellschaftsveränderung unterschiedliche Ansichten unter den AkteurInnen gibt, sind die Feinbilder klar: „Der Kapitalismus“ - in einem unterkomplex / regressiven Verständnis kritisiert - sowie der Universalismus und Individualismus vertreten durch die USA und Israel. Im Tutorium wollen wir klären was die „Querfront“ genau ist und warum sie für emanzipatorische Praxis so gefährlich ist. Hierzu wollen wir einen Blick in ihre geschichtlichen Grundlagen sowie in aktuelle Verlautbarungen der Strömung und gesellschaftswissenschaftliche Analysen des Phänomens werfen.

Montags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 8. Mai
Kontakt: Johannes R. ( )
Ort: S1|03/102

Die narrativen Strukturen des politischen Islam

Wir wollen uns in diesem Tutorium gemeinsam anschauen, mit welchen Mitteln die Vertreter des radikalen Islamismus ihr politisches Programm zu vermitteln versuchen. Wie wird die Notwendigkeit eines revolutionären Umsturzes gerechtfertigt? Wie wird die Gewalt gegen andere Muslim*Innen und Nicht-Muslim*Innen in ein vermeintlich legitimes Mittel verwandelt? Diese und andere Fragen sollen im Zuge unserer Auseinandersetzung mit den Texten einflussreicher islamistischer Ideologen des 20. Jahrhunderts wie Abul A’la Maududi und Ruhollah Chomeini beantwortet werden. Im Zentrum sollen dabei die Gemeinsamkeiten stehen, die diese verschiedenen Ansätze verbinden. Im Idealfall schaffen wir es, eine Denk- und Erzählstruktur herauszufiltern, die den behandelten Autoren trotz ihrer unterschiedlichen geographischen und historischen Umgebungen gemein ist. Da wir uns auf die intensive Lektüre und Interpretation dieser Primärtexte fokussieren wollen, sind keine sozial- oder geisteswissenschaftlichen Vorkenntnisse erforderlich. In den ersten Sitzungen werden wir den zur Analyse notwendigen methodischen Horizont gemeinsam erarbeiten und im weiteren Verlauf in der Anwendung vertiefen. Da der Großteil der behandelten Texte nur in englischer Sprache vorliegen sind gute Englischkenntnisse von Vorteil. Aus dem gleichen Grund sind internationale Studierende besonders willkommen, bei Bedarf kann das Tutorium auch auf Englisch oder zweisprachig gehalten werden.

Dienstags 16:15–17:45
Erstes Treffen: 2. Mai
Kontakt: Sophia ( )
Ort: S1|03/164

Deleuze & Guattari: Tausend Plateaus

Tausend Plateaus (1980) von Gilles Deleuze und Félix Guattari gilt als einer der Schlüsseltext des Poststrukturalismus. Bewusst brechen die Autoren mit der Form des einheitlichen philosophischen Werks, bieten stattdessen eine Vielzahl von längeren und kürzeren Abhandlungen, deren interner Bezug oder Hierarchie unklar ist. Das Wissen soll keinem Baum mehr gleichen, sondern einem Rhizom, einem Wurzelgeflecht ohne Zentrum.

Von den einen als Begründungstext einer neuen, nicht-metaphysischen, widerständigen Art zu denken gehypt, gilt das Buch anderen als Anzeichen intellektueller Regression und Vorläufer neoliberaler Ideologie. Ob man nun der einen oder anderen Wertung folgt, wird man jedenfalls nicht abstreiten können, dass das Buch am Puls der Zeit ist (oder zumindest: war) und einen der wichtigsten Beiträge zur philosophischen Zeitdiagnose der letzten Dekaden darstellt.

Zunächst wollen wir das Schlusskapitel aus dem Vorgängerwerk Anti-Ödipus (1974) diskutieren, dann einzelne Kapitel von Tausend Plateaus. Der Fokus der Auswahl soll dabei auf Deleuzes und Guattaris Konzeption der Politik liegen und auf ihrem Begriff der Maschine – sie ist jedoch je nach Interesse der Teilnehmer*innen variabel.

Dienstags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 2. Mai
Kontakt: Paul ( )
Ort: S1|03/125

Transhumanismus im Alltag und in Populärkultur

Der Transhumanismus ist eine in Deutschland noch relativ unbekannte Bewegung, welche die technische Verbesserung und Überwindung des Menschen propagiert. Im Gegensatz zum humboldtschen Bildungideal ist nicht mehr die Erziehung zur Mündigkeit das zentrale Moment, sondern technische Verbesserung durch ingenieurmäßige Eingriffe aller Art am Menschen selbst. Der konkrete Mensch ist für die Transhumanisten nur ein Produkt der Evolution, welcher sich sowieso weiterentwickeln wird. In diese Evolution soll nun zu unserem Vorteil eingegriffen werden. Darunter können sowohl biologische, also pharmazeutische, genetische oder eugenische Eingriffe, als auch informationstechnische und mechanische Erweiterungen des Menschen fallen. Durch letztere Eingriffe sollen Mensch-Maschine-Hybridwesen erschaffen werden, also Cyborgs (cybernetic organism). Ziel ist es, einerseits den Menschen leistungsfähiger und intelligenter zu machen als auch seine Lebenspanne maximal zu verlängern. Das ultimative Ziel ist die Unsterblichkeit per Gehirnupload in eine Maschine zu erreichen. Ganz nebenbei sollen die Menschen, oder was davon im posthumanen Zeitalter übrig bleibt, auch noch moralischer und glücklicher werden. Durch Interaktion und Erweiterung durch Technik stellt der Transhumanismus das Selbstbild der Menschen in Frage. Gemeinsam mit dem manchmal synonym verwendeten Posthumanismus wird der Mensch nicht mehr als das Maß aller Dinge angesehen. Andere Wesen, biologisch oder nicht-biologisch, können dem Menschen gleichgestellt werden, wenn diese ihm in Empfindung, Intelligenz und Persönlichkeit ebenbürtig sind. Im Hinblick auf Mensch-Maschinen-Hybridwesen wird die Unterscheidung zwischen gewordenen Menschen und gemachten Maschinen negiert. Uns interessiert vor allem „[d]er ganz alltägliche Transhumanismus“ und dessen Rezeption in der Populärkultur. Sind transhumanistische Ideen und dessen popkulturelle Verarbeitung nur Science-Fiction oder gibt es erste Auswirkungen auf unser Denken? Hat sich das Selbstbild des Menschen in der Ära des Computers verändert. Sind transhumanistische Vorstellungen gar nur die Begleiterscheinung und Auswirkung anderer Ursachen? Über diese und ähnliche Fragen möchten wir im Tutorium diskutieren.

Dienstags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 2. Mai
Kontakt: Matthias Wieser & Olli ( )
Ort: S1|03/312

Macht der Metaphern

Metaphern prägen unser Denken: ob im Alltag, in der Politik oder der Wissenschaft, Sinnbilder ebnen den Weg zur Erkenntnis der Welt. Von ihnen geht zugleich eine erhellende und eine verstellende Kraft aus. Durch die Bildlichkeit der Metapher verhilft sie zu einer anderen Form der Einsicht als der begriffliche Zugriff, sinnliche Assoziationen lassen durch ihre andere Art des Wissens den Erkenntnisgegenstand in neuen Perspektiven erscheinen. Dies machen sich die Politik wie die Wissenschaften zunutze: längst sind Metaphern nicht mehr allein in den Bereich der Rhetorik verbannt, die überreden statt überzeugen will, zur vorklärenden Einführung machen auch die Wissenschaften von Metaphern Gebrauch.

Gleichzeitig haben Metaphern eine determinierende Kraft, sie formen unser Weltbild und prägen unser (soziales) Leben: Beispielsweise indem die Metapher der ‚Herstellbarkeit’ aus der Technik auf menschliche Beziehungen transferiert oder das Leben als ‚Wettrennen’ aufgefasst wird. Auch ‚männlich' und ‚weiblich' werden oft metaphorisch gebraucht: es wird an Assoziationen wie Rationalität und Stärke oder Zärtlichkeit und Anpassung gedacht, nicht an das Geschlecht.

Diese und weitere Metaphern haben weitreichende Folgen nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch und gerade für unser alltägliches Leben. Diesen Problematiken werden wir im Tutorium nachspüren. Zunächst wollen wir uns mit der Besonderheit der Metapher im Vergleich zum Begriff und dem historischen Wandel in der Unterscheidung auseinandersetzen und uns einen kleinen einführenden Überblick über Metapherntheorien verschaffen, bevor wir uns konkreten Metaphern aus Technik, Wissenschaft, Politik, Literatur und Philosophie zuwenden, Mythen des Alltags (R. Barthes) thematisieren, und ihre erhellenden und verstellende Kraft problematisieren.

Mittwochs 16:15–17:45
Erstes Treffen: 3. Mai
Kontakt: Laura ( )
Ort: S1|15/021

Die Herumtreiber in der Literatur

Den Herumtreiber verkörpern wir alle, irgendwann und irgendwo, beispielsweise, wenn wir planlos umherirren, ohne Sorgen und Verstand, wenn die Zeit vergeht, ohne dass irgendetwas stattgefunden hat. Man könnte auch sagen, der Herumtreiber lebt im Moment und weiß, wie man sich entspannt, aber wenn man so über ihn denkt, macht man ihn zum Vorreiter einer Lebensphilosophie für gequälte Managerexistenzen, das ist der Herumtreiber gewiss nicht. Der Herumtreiber treibt sich nicht herum, um sich zu entspannen, sondern er macht dies, weil er eben ein Herumtreiber ist.

Als widerständig erweist sich der ziellose Herumtreiber gegenüber einer Gesellschaft, die sich vor allem über Arbeit definiert, auch, wenn dieser kein dezidierter Widerstandskämpfer ist, der gegen den Strom schwimmt, denn das wäre zu anstrengend. Eher ist anzunehmen, dass er mit dem Strom schwimmt, wenn auch nicht immer gezielt und manchmal mit irritierenden Bewegungen, aber nie so, dass es auffällig wird. Ihm stehen andere Figuren gegenüber, wie etwa dem künstlerischen Selbsterfinder, selbstausbeuterischen Selbstoptimierer oder dem depressiven Weltanklager, die allesamt schriller und lauter sind als ein verirrter Herumtreiber. Vielleicht hat man deshalb den Herumtreiber nie in den Blick genommen.

Im Tutorium wollen wir uns aber der Figur des Herumtreibers in ihren unterschiedlichsten Facetten annähern. Sie ist oft versteckt oder nur in Zügen erkennbar, weshalb ein genauerer Blick von Nöten ist. Im Vordergrund steht hierbei eine Auseinandersetzung mit literarischen Texten (wie etwa: „Der Taugenichts“ von Eichendorf, „Oblomow“ von Gontscharow oder „Mister Aufziehvogel“ von Murukami). Sie geben uns Material, um uns über diese merkwürdige Figur zu verständigen. Über Textvorschläge freuen wir uns. Um am Tutorium teilzunehmen, musst Du natürlich kein Herumtreiber sein, aber eine gewisses Interesse für diese kuriose Existenzform dürfte eine Voraussetzung sein.

Mittwochs 16:15–17:45
Erstes Treffen: 3. Mai
Kontakt: Anh ( )
Ort: S1|15/238

Smart times? Eine kritische Auseinandersetzung mit Smartphones durch die Philosophie der Technik

Immer wieder wird man mit der Ansicht konfrontiert, Smartphones bereicherten unser Leben, würden es einfacher, effizienter und schlicht besser machen. Trotz seiner kulturellen Dominanz, sozialen Omnipräsenz und politischen Relevanz wird das Thema Smartphone und seine unkritische Integration in alle Lebensbereiche zwar in den Medien, aber wenig im sozialwissenschaftlichen akademischen Bereich behandelt. Es scheint lange überfällig, die Realisierung der euphorisch erwarteten „Deliberation“ und „Emanzipation“ durch Technologie zu überprüfen. In diesem Tutorium werden wir uns kritisch mit neuer Technologie und seiner Beziehung zu Gesellschaft, Kultur, Politik und zum Kapitalismus beschäftigen. Dieses Tutorium ist motiviert durch die Überzeugung, dass es wichtig ist, die digitale Lebensform explizit zu reflektieren, geisteswissenschaftlich aufzuarbeiten und seine Auswirkungen auf Mikro- und Makro-Ebene zu beleuchten.

Wie verändern Smartphones unsere Beziehung zu Wissen, moralischen Werten, zu Zeit, zur (sexuellen) Nähe, zu unseren Freunden und Fremden, zur Freiheit und nicht zuletzt: zu uns selbst, unserer Identität und unserer Wahrnehmung? Was hat unser tägliches Getippe und Gewische mit Profit, Kontrolle und Überwachung zu tun? Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der jeder „nichts zu verbergen“ hat? Was ist der Mensch in einer Welt, in der digitale Realitätskonstruktion betrieben wird?

Um uns einen philosophischen, soziologischen und politischen Zugang zu dem Phänomen des Smartphones in unserer Gesellschaft zu erarbeiten, lesen wir frühe Kritiker der Technologie (Kapp), Medientheoretiker (McLuhan), technologische Deterministen (Marcuse); Phänomenologen (Ihde); Kritische Theorie (Feenberg, Benjamin); Empiristen (Brey); Ethiker der Technologie (Verbeek, Swierstra), Überwachungstheoretiker (Lyon), Aktivist*innen (Juli Zeh, Sacha Lobo), auch Unternehmer und Erfinder (ehem. Google Chef Eric Schmidt; Steve Mann).

Donnerstags 16:15–17:45
Erstes Treffen: 4. Mai
Kontakt: Julia ( )
Ort: S1|03/120

„Es kömmt darauf an, die Welt zu verändern“ – Marx und Engels Philosophie der Praxis

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, sie zu verändern.“ – Karl Marx

Die deutsche Ideologie und die Thesen über Feuerbach gehören wohl zu den unterschätztesten Texten von Marx bzw. Marx und Engels. Zwar dürfte es neben Proletarier alle Ländern vereinigt euch kaum ein Zitat von Marx geben, das bekannter ist als jene eingangs zitierte elfte Feuerbachthese, doch verstellt dieses Zitat die Komplexität der von Marx und Engels erarbeiteten Konzeption eher, als dass es sie erhellt.

Im Tutorium wollen wir gemeinsam Die deutsche Ideologie und die Thesen über Feuerbach besprechen; es soll dabei unter anderem um das Verhältnis von Theorie und Praxis gehen. Ferner soll der Unterschied zwischen zeitgenössischen Vorstellungen, wie der, Ideologie sei lediglich falsches Bewusstsein oder man könne sie ganz einfach als Bruch zwischen Diskurs und Praxis bestimmen und dekonstruieren und der von Marx und Engels vertretenen Konzeption verdeutlicht werden.

Über diese und andere Fragen wollen wir uns gemeinsam im Tutorium verständigen. Besondere Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Willkommen sind daher alle, die Lust und Interesse an intensiver Lektüre und Freude an spannenden Diskussionen haben.

Donnerstags 16:15–17:45
Erstes Treffen: 4. Mai
Kontakt: Michael ( )
Ort: S1|13/11a (Fachschaftsraum Pädagogik)

Marx neu denken

Die Person Karl Marx erfährt seit ein paar Jahren eine neue Welle der Beliebtheit. Nicht zuletzt durch den biografischen Kinofilm von Raoul Peck avanciert er als schrulliger Zauselbart zunehmend zur Kultfigur. Aber wie steht es Heute um das Werk Marx?

Eine Antwort auf diese Frage bietet der amerikanische Soziologe Moishe Postone, der mit seiner Schrift „Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft“ zur Mitte der neunziger Jahre eine Neuinterpretation der kritischen Theorie von Marx vorlegt, welche in Deutschland bis heute relativ wenig rezipiert wurde. Besonders das Problem des Klassenkonflikts innerhalb aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen ist für Postone Ausgangspunkt einer neuen Lesart des Kapitals. So scheinen gegenwärtige soziale Konflikte immer weniger entlang der Marx ́schen Klassen zu verlaufen. Postone gelingt eine Aktualisierung von Marx die diesen vermeintlichen Anachronismus in seinem Werk überwindet. Unser Tutorium soll die Kernthesen Postones erhellen und anhand der ausschnittweisen Lektüre zentraler Stellen des Kapitals sowie von „Zeit, Arbeit und Gesellschaftliche Herrschaft“ die Aktualität der vorgestellten Überlegungen diskutieren. Im Zentrum soll dabei die Frage stehen, ob Marx' Werk heute noch die Möglichkeit einer adäquaten kritischen Theorie der Gesellschaft bietet.

Donnerstags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 4. Mai
Kontakt: Robert & Tilman ( )
Ort: S1|03/120

Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus

Spätestens seit dem Aufstieg der AfD und anderen politischen Bewegungen, die der Neuen Rechten zuzuordnen sind, kann wohl keine Rede mehr davon sein, dass Verschwörungstheorien eine gesellschaftliche Randerscheinung bilden: So, wie die Neue Rechte mittlerweile ganz offiziell in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist, finden auch Ideen, die zuvor noch als irrationaler Unsinn abgetan worden wären, eine breitere Beachtung. Frei nach dem Motto, „Je unwahrscheinlicher desto besser“, scheint keine Erklärung mehr zu unplausibel, solang sie bloß irgendeine Erklärung liefert, die einen komplexen Sachverhalt auf ein überschaubares Freund-Feind-Schema reduziert. In diesem Sinne hat es denn fast den Anschein, als ob die Gesellschaft, die die Aufklärung und den Neo-Liberalismus erfunden hat, auch die Verschwörungsideen für sich entdeckt hätte.

Wie verschiedene historisch-vergleichende Arbeiten zum Thema „Verschwörungstheorien“ zeigen, handelt es sich bei diesem Phänomen jedoch weder um eine spezifisch moderne noch um eine ausschließlich auf den westlichen Kulturraum eingrenzbare Erscheinung: Das Modell der Intrige als stark vereinfachendes Deutungsmuster für das Zustandekommen bestimmter historischer Konstellationen und/oder als politischer „Kampfmythos“ lässt sich so epochenübergreifend in nahezu allen Kulturen nachweisen. Vor diesem Hintergrund ließen sich somit auch die jüngsten Auswüchse des Verschwörungsdenkens als „historische Varianten einer anthropologischen Konstante“ interpretieren.

Ganz in diesem Sinne wollen wir uns im kommenden Semester dem Zusammenhang von „Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus“ annähern. Anhand verschiedener Arbeiten zu diesem Thema wollen wir so ihren „Gemeinsamenkeiten“ nachspüren und herausstellen, welchen Stellenwert Verschwörungstheorien im Rahmen rechtspopulistischer Denkmuster einnehmen. Wir freuen uns also über regen Zulauf. Die Literatur sowie der geheime Handschlag werden in der ersten Sitzung vereinbart.

Donnerstags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 4. Mai
Kontakt: Jan & Jörn ( )
Ort: S1|13/11a (Fachschaftsraum Pädagogik)

An den Rändern des Rechts – Zur Kritik von Kosmopolitismus und Universalismus

Ausgerechnet die knappen Wahlen, die im letzten Jahr den Brexit und den Amtsantritt Trumps einläuteten, scheinen die Rückkehr des Politischen zu bezeugen, dessen Abwesenheit eine Reihe von Beobachterinnen über Jahre beklagte. Gegen das Zeitalter der „Alternativlosigkeit“ (Thatcher/Merkel), der „Post-Politik“ (Žižek), des „Neoliberalismus“ und des „Endes der Geschichte“ (Fukuyama) positioniert sich damit eine anti-emanzipatorische Strömung: Ein (er)neuer(ter) Nationalismus, der sich international vernetzt und mit einer Mischung aus Angst, Ressentiment und Verschwörungstheorien nach Aufmerksamkeit giert.

Während die Berufung auf Volk, Nation, Gemeinschaft der neuen Rechten dazu dient, „identitäre Politik“ gegen „linksliberale Identitätspolitik“ zu platzieren; befasst(e) sich eine Reihe linker Theoretikerinnen (die das gefährliche Potenzial des Rechtspopulismus ahnte) zum Teil mit denselben Konzepten, da sie dem Versprechen einer konfliktfreien Einigung der Menschheit misstraut: Demokratie und Solidarität scheinen ihnen durch eine „apolitische“ Globalisierung bedroht. In diesem Sinne veröffentlichte Chantal Mouffe die Streitschrift Über das Politische (2007 [2005]). Darin richtet sie sich „wider die kosmopolitische Illusion“ (so der Untertitel) – und die Hoffnung, dass „globale Herausforderungen“ die Weltrisikogesellschaft (Beck) schon zusammenwachsen lassen. Der „kanonische“ Text des umstrittenen Carl Schmitt (Der Begriff des Politischen, 1932), den Mouffe einer Neu-Lektüre unterzieht, vermutete dagegen – wenn auch mit anderer Stoßrichtung: „Wer Menschheit sagt, will betrügen“.

Wo Mouffe und andere Theoretikerinnen einer schmittianisch-„dissoziativen“ Linie des politischen Denkens folgen, bezieht sich Seyla Benhabib in Kosmopolitismus ohne Illusionen (2016 [2011]) auf die arendtsche („assoziative“) Linie – und die Einforderung des „Rechts auf Rechte“. Der Mangel daran zeigt sich gegenwärtig in der Zunahme von Flüchtlingen, Staaten- und Papierlosen infolge von Bürgerkrieg und Staatenzerfall. Unsere Aufmerksamkeit soll diesen „Randzonen des Rechts“ gelten, die faktisch zwar existieren, in juristischen und politischen Diskursen jedoch oft unzureichend erfasst werden. Gemeinsam möchten wir Texte verschiedener Autorinnen lesen und diskutieren, was Universalismus, Kosmopolitismus oder Internationalismus heute bedeuten könnten; und wie sich ihre emanzipatorischen Forderungen in einer Welt, in der sicher geglaubte Errungenschaften zunehmend infrage gestellt werden, verteidigen lassen.

Freitags 16:15–17:45
Erstes Treffen: 5. Mai
Kontakt: Jürgen ( )
Ort: S1|03/110

Mythos des Gegebenen – Zur Kritik bürgerlicher Erkenntnistheorie

In linken Sprechweisen, in sich als emanzipatorisch verstehenden Diskursen sowie in poltischen Manifesten und Strategiepapieren, die politische Praktiken theoretisch zu stützen beanspruchen, taucht regelmäßig die Kategorie des (Vor-)Gegebenen auf, von der sich im Denken und Handeln abzugrenzen sei. Berufen wird sich dabei äußerlich stets auf Marx' Diktum von der "rücksichtslose[n] Kritik alles Bestehenden", das mitunter als linkes Apriori ohne jedwede theoretische Entwicklung gleichsam vorausgesetzt, seltener theoretisch eigens entwickelt wird. Dass alles irgendwie mit 'Gesellschaft' zu tun habe, nichts 'natürlich' sei und jede doch naturalisierend anmutende Rede als 'ideologisch' oder gar 'fetischistisch' abgewiesen werden kann, dafür – und für diesen Überzeugungskomplex im Ganzen – ist die Referenz auf das Gegebene szeneimmanent zuständig. Hängt dieses Ettikett ohne Reflexion des philosophischen Gesamtzusammenhangs linker Theoriebildung und abseits konkreter historischer Erfahrungsgehalte, also dogmatisch wie vulgär-materialistisch in der Luft, bleibt stets unklar, wogegen sich die Kritik des Bestehenden jeweils wendet, worauf sie sich – auch in der bürgerlichen Philosophie der Aufklärung – stützen kann und wie diese Kritik im Ausgang von Marx und nach der Wiederaufnahme durch die Kritische Theorie heute aktualisiert werden muss.

Diesem diametral entgegen steht die Auseinandersetzungen mit Formen des Gegebenen, wie sie in populärwissenschaftlichen Texten, im Kontext des institutionalisierten Ethik-Unterrichts und bisweilen in der zeitgenössischen bürgerlichen Theoriebildung geführt werden. Vor allem erstere laufen nicht selten unter der stereotypen Frage: "Woher wissen wir, dass das, was wir zu erkennen glauben, wirklich da ist und überhaupt wirklich ist?" – und enden folgerichtig in skeptizistischen Außenweltzweifeln und The Matrix-Filmreferenzen, also in überwertigem Konstruktivismus, der ohne Bezug auf konkrete Praxis einem ebenso haltlosen Pragmatismus der Praxis in die Hände spielt. Die affirmative Beantwortung der Frage läuft dagegen auf die nun tatsächlich verklärende Naturalisierung und Verdinglichung der Wirklichkeit hinaus, die als ahistorische und immanente Dingwelt jedem Eingriff enthoben scheint, wie dies mitunter in zeitgenössischer postrukturalistischer Theoriebildung geschieht.

Im Tutorium wollen wir uns gemeinsam mit euch den Begriff des Gegebenen, als erkenntnistheoretischen, mithilfe von klassischen Texten bürgerlicher Erkenntnistheorie (Descartes, Kant, Husserl) erarbeiten. Anschließend wollen wir verschiedene Ansätze zu einer Kritik des Gegebenen (Nietzsche, Bergson, Marx, Freud) kennenlernen und mit euch diskutieren. Dabei soll das Tutorium sich nach gemeinsamen Lektüreinteressen richten und kann gerne um Anregungen von eurer Seite aus ergänzt werden. Willkommen sind dabei alle*, die sich für das übergeordnete Thema interessieren und Freude an anspruchsvoller Textarbeit sowie spannenden Diskussionen haben.

Freitags 18:05–19:35
Erstes Treffen: 5. Mai
Kontakt: Mike ( )
Ort: S1|03/312

Themen: