Tim Lange Oct 26 2020 - 4:42pm
Am 05. Oktober haben wir als AStA der TU Darmstadt auf unserer Facebook-Seite den Aufruf zur Kundgebung ‚Querdenken entgegentreten‘ geteilt. Bereits kurze Zeit später erreichte uns an verschiedenen Servicestellen des AStAs eine Vielzahl ähnlich klingender E-Mails, ebenso wurde der Facebook-Post ausgiebig kommentiert.
Grundsätzlich freuen wir uns über Interesse an der Arbeit des AStAs oder Veranstaltungshinweisen, die wir teilen. Dennoch waren wir über die Anzahl und den Inhalt der Mails überaus irritiert. Die Fehleinschätzung, der AStA hätte diese Kundgebung organisiert, lässt uns schließlich an der Medienkompetenz der Rezipient:innen zweifeln. Nach anfänglicher Verwunderung stellte sich jedoch recht schnell die Ursache der zahlreichen Zuschriften heraus: Ein oder mehrere Mitglieder des Telegramkanals ‚QUERDENKEN (615 – Darmstadt)‘ wurden über unseren Post auf die Veranstaltung aufmerksam und teilten den Link in dem entsprechenden Kanal mit den Worten „Vielleicht möchte von euch jemand mal diesen Faschisten einen netten Kommentar hinterlassen“. Die Resultate ließen nicht lange auf sich warten. Die Bereitschaft einer Vielzahl von Leuten aus dem Umfeld dieses Telegramkanals, einem solchen Aufruf zu folgen und unsere Mitarbeiter:innen mit ihren Mails zu belästigen und sie darin wiederholt zu beleidigen, finden wir gleichermaßen albern wie beängstigend; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass uns in eben diesen E-Mails vorgeworfen wird, wir würden uns vor „fremde Karren spannen lassen“, seien „wissenschaftsfeindlich“ und würden „ungerechtfertigterweise pauschalisieren“. Eine solche Ironie, dem Aufruf in einem Telegramkanal zu folgen und vom AStA kritisches Denken zu verlangen, löst bei uns ungläubiges Kopfschütteln aus. Zu ähnlichen Absurditäten zählt das ständige Einfordern von Meinungsfreiheit, während man jeder Kritik an den eigenen Positionen mit Anfeindungen begegnet. Dass besonders die Antidiskriminierungsstelle des AStAs mit diesen Mails zugespamt wurde, spricht bereits Bände. Darüber hinaus wird die Kritik an den unhaltbaren Positionen der ‚Querdenken-Bewegung‘ mit Diskriminierungsformen gleichgesetzt. Diese Verkehrung von Diskriminierungserfahrungen sowie die Selbstdarstellung in einer Opferrolle werden wir nicht tolerieren, können die Belästigung unserer Mitarbeiter:innen aber auch nicht unkommentiert stehen lassen.
In die gleiche Kategorie fallen die Vorwürfe, durch das Teilen dieses Veranstaltungshinweises verwende der AStA „Nazimethoden“ oder „treibe eine Spaltung der Gesellschaft voran“. Neben haltlosen Vorwürfen, Relativierungen nationalsozialistischer Verbrechen und unwissenschaftlichen Falschaussagen, zeichnen sich die meisten Mails durch eine weitere Gemeinsamkeit aus: einen unerträglichen pastoralen Ton der Belehrung. So wird den Mitgliedern des AStAs ihre vermeintliche Unwissenheit durch den Verweis auf ihre Jugendlichkeit zwar angeblich nachgesehen, doch mit dem zusätzlichen Hinweis versehen, wir mögen uns doch bitte ein eigenes Bild der ‚Querdenken-Bewegung‘ machen und mit den Menschen ins Gespräch kommen, dadurch würden wir „klüger werden“. Für Leute, die vorgeben, nicht viel von angeblichen Pauschalisierungen und Diffamierungen zu halten, bedienen sie sich konsequent eines überheblichen Schreibstils, der die gesamte Statusgruppe ‚Studierende‘ für naiv und dumm erklärt.
Mit dieser Entwicklung hätten wir nicht gerechnet, und dennoch überrascht sie uns nicht. Viel mehr haben sich durch die vielen Nachrichten einige unserer Annahmen eher noch bestätigt. Unter den Anhänger:innen der ‚Querdenken-Bewegung‘ gibt es einige, die unhaltbare Vorwürfe unterbreiten, unbelegbare Behauptungen treffen, sich einer (latent) rechten Ausdrucksweise bedienen, antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten und sich gleichzeitig in einer Opferrolle imaginieren, was auf Betroffene tatsächlicher Diskriminierung wie Hohn wirken muss, ganz zu schweigen von all den Menschen, deren Gesundheit oder sogar Leben durch die von‚ Querdenken‘ verbreitete Ignoranz und Verantwortungslosigkeit bedroht sind.
Mit Vertreter:innen solcher Positionen kann keine Diskussion geführt werden und wir wollen das auch nicht. An Querdenken wollen wir lediglich folgende Worte richten: Haltet Abstand, tragt eine Maske und schreibt uns nicht mehr.