Christoph Miemietz 11. Juli 2013 - 18:53
Die Feindschaft gegen Zigeuner weist nunmehr eine vielhundertjährige Geschichte der Diskriminierung, Ausgrenzung, Verfolgung und schließlich deren Kulmination in der Vernichtung durch die nationalsozialistischen Endlösung der Zigeunerfrage auf. Gleichwohl muss eine Kritik des Antiziganismus bis heute als marginal gekennzeichnet werden, der Antiziganismus besteht auch nach Auschwitz in nahezu ungebrochener Kontinuität fort.
Im Workshop wird es daher darum gehen, zunächst die Geschichte des Antiziganismus seit dessen Herausbildung während der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals nachzuzeichnen, als auch dem Ursprung der Bilder, nach denen Individuen zu Zigeunern gemacht und als solche verfolgt werden, nachzuspüren. Diese Bilder sollen durch eine Kritik der Konstitution der Individuen als Subjekte der bürgerlichen Gesellschaft als verdrängte und verleugnete Momente des eigenen Selbst begriffen werden, die aus Gründen der Angstabwehr und zum Zweck der Identitätsbildung projiziert und am Anderen verfolgt werden. Eine solche Kritik des Antiziganismus nimmt also nicht die Lebensweise der wirklichen oder potentiellen Opfer in den Blick, sondern begreift die Zigeunerfeindschaft als Moment kapitaler Vergesellschaftung und die nationalsozialistische Vernichtungspraxis als der repressiven Totalität entsprungen. Somit muss eine Kritik des Antiziganismus stets Kritik des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft, somit der Antizigane r und der antiziganischen Gesellschaft sein.
Ist der Antiziganismus in der gegenwärtigen Forschung zumeist als Denkform, d.h. als Vorurteil oder Ressentiment gefasst, gilt es auch, derartigen Subjektivismus aufzuheben und die objektive Bedeutung in den Blick zu nehmen: die Austreibung der Möglichkeit von Glück, die Absage an die versöhnte Menschheit und damit die Verewigung der sich selbst Zweck seienden Herrschaft.
Im Workshop wird also schließlich und vor allem versucht werden, eine materialistische Kritik des Antiziganismus zu entwickeln. Dazu werden einerseits die Elemente des Antisemitismus aus der Dialektik der Aufklärung besprochen sowie diskutiert, inwiefern diese für eine Antiziganismuskritik fruchtbar zu machen sind. So gilt es schließlich auch die Unterschiede von Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus auf den Begriff zu bringen. Andererseits werden zur Präzisierung jüngere an der kritischen Theorie von Marx, Freud, Adorno und Horkheimer orientierte Texte behandelt.
Der Workshop findet am 27.7. von 11-18 Uhr und am 28.7. von 12-17 Uhr an der TU statt. Um Anmeldung unter KritikDesAntiziganismus@gmail.com wird gebeten. Die Texte werden per Email zu Verfügung gestellt. Der Workshop ist offen für alle Interessierten.