Y. I. 28. Oktober 2021 - 11:41
Liebe Freund:innen der Autonomen Tutorien,
im Wintersemester 2021/22 können leider keine regulären Autonomen Tutorien im wöchentlichen Turnus stattfinden.
Wir planen in der zweiten Semesterhälfte als Alternative zum regulären Tutorienbetrieb Blocktutorien anzubieten. Darüber informieren wir bald hier.
Die erzwungene Pause möchten wir nutzen, um unsererseits ein einleitendes Tutorium mit dem Thema „Was ist Kritik?“ anzubieten, das gewissermaßen das Anliegen des Projekts der Autonomen Tutorien in den Blick nimmt. Das Tutorium soll so gerade auch für diejenigen interessant sein, die sich fragen, was die Motivation hinter den Autonomen Tutorien ist und kann so als Einführung in die von uns immer wieder bemühte Form der gemeinsamen Auseinandersetzung mit den verschiedensten Themen verstanden werden.
Was heißt “Kritik”? – oder: Wie man Nein sagt.
Ob es die Umwelt- oder Corona-Politik, die Studienordnung, die Schichteinteilung im Nebenjob oder einfach das Verhalten unserer Mitbewohner:innen ist; manche Dinge ärgern uns – mitunter so sehr, dass wir sie ändern wollen. Mit etwas Überwindung gelingt es uns, den Ärger nicht gleich zu schlucken, sondern die Sache anzugehen. Nun sind wir aber nicht allein auf der Welt, sondern treffen auf jemand anderen. Der will nun ausgerechnet das, was wir nicht wollen und befürwortet, was wir ablehnen. „Nein“ und „Ja“, „Ja“ und „Nein“ stehen sich unversöhnlich gegenüber. Wir stimmen schlicht nicht miteinander überein, kommen aber auch nicht aneinander vorbei.
Das hat so seine Gründe, das hat so seinen Zweck, am besten bleibt es wie es ist, wird nun behauptet. Unsere ablehnende Haltung wird selbst in Zweifel gezogen. Damit haben wir natürlich gerechnet und antworten mit einer gut durchdachten Begründung. Womit wir nicht gerechnet haben: Unser Gegenüber gibt uns seinerseits eine gut durchdachte Begründung und geht sogar auf unsere ein. Wie vorher „Ja“ und „Nein“, stehen sich jetzt "Ja, weil..." und "Nein, weil..." gegenüber. Die Angelegenheit stellt sich als schwieriger heraus, als anfangs gedacht. Um nicht nachzugeben, müssen wir uns tiefer mit ihr und dem uns lästigen „Ja“ befassen, denn, so viel ist sicher: bei unserem „Nein“ bleiben wir. Unser Ärger war ja wohl berechtigt – aber wie geht das: Nein-Sagen?
Gelingen kann es jedenfalls nur, wenn der anfängliche Ärger in eine denkende Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt übergeht und sich im Anschluss als begründete Kritik formuliert. Gekonntes Nein-Sagen bedarf der Anstrengung des Gedankens, soll es sich nicht zufällig, ungeprüft und gegen den eigenen Willen in ein Vielleicht- oder gar Ja-Sagen verwandeln. Erst die Fähigkeit zur Kritik erlaubt also ein konsequentes, unbeirrtes Nein-Sagen.
In diesem Autonomen Tutorium wollen wir gemeinsam mit euch darüber nachdenken und diskutieren, was das eigentlich ist und wie das geht: Kritik als Fähigkeit zum Nein-Sagen. Vorkenntnisse sind dafür nicht nötig, bloß ein Bedürfnis zur Kritik und das Interesse an gemeinsamer Diskussion und Textarbeit. Texte zur Kritik erhaltet ihr von uns und eure Textvorschläge nehmen wir gerne in unsere Auswahl auf. Ein fester Plan besteht nicht; wie wir vorgehen wollen können wir gemeinsam bestimmen. Auch verabreden wir gemeinsam, wann (Termin), wie oft (Turnus) und wo (Online/Präsenz) wir uns während des Semesters treffen. Schreibt uns dazu bitte bis zum 9. November eine kurze Nachricht per Mail. Falls ihr noch nicht sicher seid, ob ihr regelmäßig teilnehmen wollt, dann kommt doch einfach vorbei und schaut euch das Tutorium mal an. Einstieg und Ausstieg sind jederzeit möglich.
Bei Interesse meldet euch bitte bis zum 9. November per Mail.
Wir freuen uns auf euch!
Kontakt: Yannis & Mike ( )